Die Einschätzung nimmt Bezug auf auf den Artikel “Assad’s Löwinnen” (Spiegel Online), dessen Tenor war, die Regierung von Syrien Präsident Bashar al-Assad werfe nun die letzten Kräfte ins Feld (“Volkstum”). Wir sehen das völlig anders.
Wir bitten sprachliche Nachlässigkeiten zu entschuldigen. Der Text wurde schnell “heruntergeschrieben” und sollte – wie gesagt – lediglich ein Kommentar in einem Forum sein.
Einschätzung: In Syrien sieht es aus unserer Sicht danach aus, als ob sich die Armee auf einen Generalangriff gegen die Aufständischen vorbereitet, dafür sämtliche kampferprobten Soldaten von vernachlässigbaren Position abzieht (Checkpoints) und an anderen Stellen zusammenzieht.
Ob das ein Verzweiflungsschritt ist oder der Schwäche der Aufständischen geschuldet ist, lässt sich schwer sagen. Wir tendieren eher zu der Sicht, dass die Rebellen und nicht die Armee “aus dem letzten Loch pfeifen”.
Die Armee kann es sich offensichtlich erlauben, schwache Kräfte an Straßensperren einzusetzen. Wäre sie am Ende ihrer Kräfte, würde sie versuchen, sich einzuigeln, strategische Punkte und Territorium zu halten und es nicht mit der Aufstellung schwacher Kräfte durchlässig zu machen.
Die syrische Armee ist von ihrer Struktur her gesehen eine klassische Infanterie,- Panzer- und Artillerie-Armee nach sowjetischem Muster mit entsprechenden Taktiken und Strategien, die mit Guerillakampf nicht viel am Hut hatte, bevor sie von Hisbollah/Iran in Teilen darin ausgebildet und unterstützt wurde. Solche Armeen “mauern” unter Druck gemeinhin und setzen alles auf Abwehr, wenn die letzte Schlacht naht – aber sicher nicht mit kampfunerprobten Frauen in Turnschuhen.
Es gibt auch keine Berichte oder Anzeichen dafür, dass Syriens Regierung die Soldaten ausgehen. Im Gegenteil: der Anteil von Deserteuren ist nach allem, was man erkennen kann, relativ gering. Die Armeestruktur hat bisher sämtlichen Rückschläge besser verkraftet als viele “Experten” angenommen hatten. Auch ist die Alawitische Gemeinde ist nicht auseinandergebrochen, sondern steht – wenn auch mit Murren – auf al-Assads Seite, so wie noch immer große Teile der Bevölkerung, die mehr Angst vor einer Nach-Assad-Zeit haben als vor allem anderen.
Jetzt im Winter hat es die Opposition schwerer als die Armee, weil sie schlechter ausgerüstet ist und es ihr auch an Versorgung und Waffennachschub fehlt. Aus unserer Sicht scheint es so, dass sich die Regierung diesen Umstand zu nutze machen will, um in den kommenden Wochen eine starke Offensive gegen die Aufständischen zu führen.
Nach einem schnellen Ende der Regierung al-Assads sieht es keineswegs aus. Das einzige, was den Aufständischen momentan helfen würde, wäre – neben entsprechend guter Bewaffnung und besserem Wetter – vermutlich ein klassischer Tyrannenmord, so dass Teile des Volkes, Regierung und Armee keine echte Führungsfigur mehr hätten.
Die Opposition ist im In- und Ausland zerstritten, die ehemaligen Unterstützer des Aufstandes sind es auch (Katar, Saudi-Arabien, Türkei, USA) und besonders der Westen scheint keine große Lust zu haben, sich ein zweites Irak zu schaffen (neben dem eigentlichen Irak, dass ja in letzter Zeit wieder mehr brodelt), und auch kein Mali.
Man hat den Eindruck, als wären die großen Mächte stillschweigend übereingekommen, die syrische Regierung den Aufstand jetzt niederschlagen zu lassen: Die Russen liefern der Regierung Waffen, und die ehemaligen Oppositionsunterstützer machen einfach gar nichts.
Alles in allem hat die syrische Regierung momentan die meisten Helfer mit China (diplomatisch), Iran (einschließlich Hisbollah; Ausbilder und Kämpfer) und Russland (Waffen).
Für die religiös motivierten sunnitischen Aufständischen steht es nicht gut. Die kampfstarken Oppositionskräfte werden zwar zusehends radikaler, verlieren damit aber an Rückhalt in der Bevölkerung, die zum großen Teil ja selbst sunnitisch ist (anders als im Irak-krieg).
Wir denken, dass die Regierung den Kampf gegen die radikalen Oppositionskräfte gewinnen kann und einen Deal mit den übrigen Aufständischen schaffen, um das Land zumindest vorübergehend zu befrieden. Wenn der Kampf beendet ist und wieder ein bisschen Stabilität eingekehrt ist, würde al-Assad vielleicht sogar abtreten.
Es fragt sich nur, wie es danach weitergehen soll in einem so ver- und zerstörten Land.