Kommentar zum “Arabischen Frühling”: Demokratie, Diktatoren und die arabische Welt
Der u.g. Text war als Disqus-Beitrag für die Kommentarsektion der WELT gedacht, ist aber von den Moderatoren nicht veröffentlicht worden. Er bezieht sich auf den dort veröffentlichten Artikel “Dem Arabischen Frühling folgen die Islamisten” (Autor: Boualem Sansal)
Der “Arabische Frühling” musste einfach fürchterlich in die Hose gehen, weil die Region für eine grundsätzliche Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in keiner Weise bereit ist.
Das ist allerdings keine neue Erkenntnis, sondern war schon damals klar – den westlichen “Experten” zwar nicht, dem Großteil der normalen Menschen vor Ort schon.
Dem Durchschnitt der Menschen in der arabischen Welt ging es im Alltag besser als heute – mit Diktatoren und in autokratischen Systemen.
Der Westen steckt im Dilemma, Demokratie und Menschenrechte exportieren zu wollen, aber ebenfalls besser mit Diktatoren zu fahren. Sie bringen politische Stabilität und halten gegen Bares Geschäfts- und Wirtschaftswege offen.
Dem Westen (und Israel) bringt Demokratie nur etwas, wenn sie quasi von jetzt auf gleich implementiert werden kann. Ein langsames Wachsen ist schlecht, denn auf dem Weg zur Demokratie kann und wird viel schief gehen, das den Interessen des Westens schadet.
Eine gut laufende Demokratie ist immer besser als autokratische Systeme, sowohl für die Menschen vor Ort als auch für internationale Beziehungen und Fortschritt.
Es stellt sich nur die Frage, ob es den Preis hunderttausender Toter oder mehr wert ist, hochgesteckte Ziele in einer Region schnell und mit Gewalt erreichen zu wollen, deren Bewohner nicht im mindesten dafür bereit sind.
In allen arabischen Ländern dominieren Clan- und Feudalstrukturen von der Familie bis ins öffentliche Leben. Viele Menschen sind nicht willens, die Vorteile aufzugeben, die das eben auch mit sich bringt.
Ebensowenig sind sie darauf vorbereitet, mit einem Gesellschaftsmodell wie Demokratie umzugehen. Sie sind damit schlicht überfordert.
Tatsächlich ist die Zahl derer in der arabischen Welt, die eine Demokratie nach westlichem Maßstab wollen, sehr gering. Viele normale Menschen auf der Straße können damit überhaupt nichts anfangen.
Alles andere als westliche Demokratien sind Schein-Demokratien, die in Wirklichkeit undemokratische Systeme und Gesellschaftsstrukturen verdecken und verschleiern sollen.
Demokratie muss wachsen. Die, die sie ablehnen, müssen langsam aussterben, so dass diejenigen, die sie leben wollen, irgendwann in der Überzahl sind. Demokratie erzwingen zu wollen, klappt so gut wie nie.
Wenn Menschen nicht erkennen, dass Demokratie vielleicht nicht die optimale, jedoch beste bisher bekannte Form menschlichen Zusammenlebens ist, müssen sie eben so lange kämpfen, bis keiner mehr steht.
Vielleicht stellt sich diese Erkenntnis dann ein.