DISQUS Kommentar zu: “Wie in Berlin die Zeit nach Assad geplant wird” (WELT Online)
Anmerkung: Der u.g. Kommentar ist ein bisschen emotionsgeladen. Wir bitten dafür um Nachsicht! Selbst dem sachlichsten Analysten platz manchmal der Kragen, wenn nicht enden wollender Unsinn produziert und von ausgewiesenen Experten (Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik / Auswärtiges Amt) auch noch unterstützt wird.
1. Ist der Sturz von Syriens Präsident Bashar al-Assad mit Informationen, die öffentlich zugänglich sind, nicht einmal in weitester Ferne zu erkennen.
Wenn die Situation unter den gegebenen Umständen so weiter geht wie bisher, kann man sich durchaus vorstellen, dass der syrische Sicherheitsapparat die Situation unter Kontrolle bringt und das Land über kurz oder lang wieder in den Griff bekommt.
Die Oppositionen (!) verlieren derzeit nicht nur den Krieg am Boden, sondern mit zu vielen Falschinformationen auch die Propagandaschlacht.
2. Jeder, der nach einem möglichen Sturz Assads keine Waffen hat, wird mit ziemlich leeren Händen dastehen und nicht viel zu sagen haben.
3. Glaubt wirklich irgendjemand der Organisatoren oder Teilnehmer dieses “Day After”, dass die Aufständischen verschiedener Fraktionen in Syrien, die den Kampf führen, auch nur eine Sekunde auf die Ideen von Intellektuellen verschwenden werden, die – wie oft in solchen Konflikten – sich nicht die Hände schmutzig machen wollen, aber die Früchte ernten und sich später hohe Ämter im Staat unter den Nagel reißen wollen?
4. Der Ansatz allein, demzufolge die Teilnehmer der Projektgruppe “niemandem etwas vorschreiben (wollen), keiner Oppositionsgruppe” zeugt von einer schwer zu verstehenden Realitätsferne.
Teile der arabischen Welt befinden sich im Umbruch und sind höchst instabil. Da die Regierungen einiger Staaten zwar als Repressions-, aber auch als Schutzmacht eingeschränkt handlungsfähig sind, kehren die Menschen zurück zu ihren Wurzeln, die ihnen Schutz gewähren. Und das sind Familie, Stamm, Clan, Religionsgemeinschaft etc, archaische Formen des menschlichen Zusammenleben.
Wenn man diesen Zusammenschlüssen nichts vorschreibt, machen sie, was sie wollen. Jeder nimmt sich so viel er kann.
Der Import westlicher Demokratie (mit allem, was dazu gehört) funktioniert einfach nicht, weil viele Menschen in der arabischen Welt dazu weder willens noch bereits sind. Deswegen ist wir “wollen (…) niemandem etwas vorschreiben, keiner Oppositionsgruppe” ein Ansatz, der falscher nicht sein kann.
Demokratie muss erkämpft werden. Und wenn die Menschen in den arabischen Ländern Änderungen wollen, dann müssen sie sie auch erkämpfen — Genauso wie z.B. Amerikaner und Europäer vor ihnen –, bis sie erkennen, dass es vielleicht nicht die optimale, jedoch derzeit beste bekannte Form menschlichen Zusammenlebens ist.
Man hat den Eindruck, diejenigen, die den Plan entworfen haben, bewegen sich in schicken Debattier-Cafés und bekommen wenig vom alltäglichen Leben vor Ort und den Nöten und Zwängen der oft unter bescheidenen Verhältnissen lebenden Menschen auf der Straße mit, die mit Abstand den überwiegenden Teil der Bevölkerungen in arabischen Ländern bilden.
Den Menschen in Syrien und dem Rest der arabischen Welt sind die Pläne von gehätschelten Exil-Politikern total egal.
Entweder haben die Exil-Syrer zu lange im Ausland gelebt oder sie spielen ihren Unterstützern im Westen rosige Optionen für eine mögliche Zeit nach Assad vor. Auch das ist bei solchen Konflikten an der Tagesordnung.
5. Man hat den Eindruck, die Projektgruppe ist von “Experten” beraten worden, die den Umsturz in Ägypten mit dem Fall der Berliner Mauer verglichen und die Umbrüche in der arabischen Welt zum Ende des politischen Islams erklärten.
Nichts war schon damals der Realität ferner.